Juwel
Es ist viele Jahre her. Ich erholte mich gerade von einem Sturz. Ein Jahr Zwangspause. Das ist bitter! Aber wenn der Schmerz nachlässt, drängt es den Reiter wieder aufs Pferd. Ein ruhiges, nicht mehr ganz so junges Pferd, dass mir das Vertrauen zurück gibt.
In der Heide gab es einen Pferdehändler, der mit Pferden aus der DDR handelte. Genau das Richtige für meinen Geldbeutel. Auf dem Hof hatten sich etliche Leute eingefunden und warteten auf den angekündigten Transport aus Köten. Um uns bei Laune zu halten, rückte Herr B die Karten mit Fotos und Daten der Verkaufspferde heraus. Das war wie beim Winterschlussverkauf. Ein Gedränge und Streiten um die vermeintlich „besten Pferde”. Meine Verletzung war an der Wirbelsäule, meine Ellenbogen waren unversehrt. Ich ergatterte eine Karte mit dem Bild einer Schönheit.Mein Mann macht nicht viele Worte aber an dieser Stelle äußerte er sich. „Das ist nicht was Du wolltest.” - Stimmt! Aber .................. „das ist meiner!” 2 jähriger Hengst - Schimmel - Stockmaß 172 - noch nicht geritten
Es wurde dunkel. Keine Pferde doch keiner gab auf. Die Karten fest in der Hand. Schwierigkeiten am Grenzübergang. Das war damals üblich. Am späten Abend trafen die Transporter endlich ein.Es wurde laut und lebendig. Die ersten Pferde wurden abgeladen. Kein Schimmel, die zweite Rampe. Kein Schimmel. Inzwischen wurde schon untersucht und getrabt, gehandelt und lamentiert. Kein Schimmel ! Der 2. LKW wurde geöffnet und abgeladen. Wieder nix. „War das der Letzte?” Brüllte Herr B. Als Antwort kam Geschrei, Getrampel und irgendwas ging kaputt.
Mit einem riesigen Satz erschien mein Schimmel mit einem Männlein das pöbelte und sich kaum auf den Beinen halten konnte. Was für ein Pferd! Gewaltig, imposant und wunderschön. Geballte Kraft und Selbstbewusstsein, mit Augen zum anfassen. Alles floh und machte Platz. Diesen Respekt hat sich mein Schimmel bis ins hohe Alter verschafft. Ich war total betört. Ganz aus der Ferne vernahm ich noch meinen Mann: „Echt jetzt?”
Es war Liebe auf den ersten Blick. Er war eigenwillig, Unterordnung kam für ihn nicht in Frage. Er hasste Menschen, Hunde und Pferde. Sein Ruf war skandalös. Aber mein „Juwel” war der wertvollste Edelstein den ich je besaß. Ihm gehörte mein Herz und seines gehörte mir allein.
Er starb 2001